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ERSTE LIEBE (FIRST LOVE)
Austria 1983 / 16 mm / black and white /1:1,33 / commag / running time: 92 min (25f/s)
original version german without subtitles
cast: Ali Kielmannsegg, Andi Stern, Konrad Spindler, Harald Habiger, Peter Schreiner and many others
sound: Andi Stern / music: Michael Langoth
cinematography: Peter Schreiner, Konrad Spindler, Bärbel Neubauer
concept, realisation, editing: Peter Schreiner
production: Peter Schreiner and Liedl-Becker-Dokumentarfilm
supported by:
City of Vienna, cultural department
world distribution: echtzeitfilm
Österreichische Filmtage 1984 (Premiere)
Austrian Film Museum, Vienna, Austria, 1984
Das Kino, Salzburg, Austria, 1984
Stadtkino Basel, Switzerland, 2009
Diagonale '10, Graz, Austria, 2010
Austrian Film Museum, Vienna, Austria, 2011
Austrian Film Museum, Vienna, Austria, DIE UTOPIE FILM, 2015
Film Archiv Austria Retrospektive 2022 / Vienna, Austria
cinema release: Breitenseer Lichtspiele, Vienna, Austria, 1984
man entgeht den Bildern nicht
Die Kamera beobachtet einige jungen Menschen, im Alltag, in Lokalen, auf der Straße, auch in absurden Situationen. Sie fühlen sich beobachtet, inszenieren sich, vergessen die Kamera zwischendurch. Diese bleibt auf ihnen, wenngleich nie respektlos. Als BeobachterIn im Kino fühlt man sich vielleicht ebenso unsicher wie jene, die man beobachtet. Man entgeht den Bildern nicht – und möchte es auch nicht.
(Diagonale'10, Katalog)
you can't look away
The camera records a few young people in everyday situations, in bars, on the street, and also in slightly absurd situations. They feel observed, perhaps a bit insecure and therefore start to perform but occasionally still forget the camera - which always treats them with respect. As a viewer you may feel just as unsure as the people being watched. You can't look away, and you don't want to either.
You keep looking at these young people, just as the camera suggests.
(Diagonale'10, catalogue)
was tun wir denn, wenn man uns zusieht?
(...) Vico Torriani bricht sein Lied ab, die Kamera folgt einem jungen Mann, der in einer nächtlichen Straßenszene dahingeht, unentschlossen
herumsteht, man erkennt die Stadtbahnstation Alserstraße am Gürtel, der Mann (ein Täter, der seine Richtung eingeschlagen hat) springt plötzlich anders ins Bild, dreht den Kopf zurück, das
dazwischen liegende Stück Zeit ist gekappt, unter den Tisch gefallen, was bisher auf einen Gangsterfilm, auf einen Kriminalfilm hat schließen lassen, ist mit diesem Blick, mit diesem
Gesichtsausdruck weggewischt, zunichtegemacht, ein grell erleuchteter Würstelstand, der Protagonist hat jetzt ein Kellerlokal betreten, die Kamera sieht sich zuerst einmal um, nicht gründlich,
nur blickpunkthaft, scheu, verweilt für Momente auf einer jungen Frau (Jugoslawin), auf tanzenden Männern, jemand lacht stumm auf, oder macht Lärm, aber man hört den Lärm nicht, bis jetzt hat man
noch keinen Ton gehört, ein Stummfilm (Eva auf dem Kinositz neben mir sagt: sich selbst an den Rand schieben, durch Vergleich mit den Gastarbeitern), der junge Mann blickt einen gefasst an,
schaut traurig vor sich hin, so wird man ihn noch öfters in diesem Films sehen, auch in Frauenkleidern, als Herzschlag setzt jetzt Musik ein, Fahrtenmusik, Reisemusik (...)
der Film ERSTE LIEBE lässt den Beschauer nicht in Ruhe, so wie die Filmkamera die Menschen, die vor ihr stehen und agieren, nicht in Ruhe lässt, was
tun wir denn, wenn man uns zusieht, wenn uns dieses unbestechliche Auge zusieht, d.h. dasselbe wenn es uns nicht zusieht, und wann können wir schon hoffen, dass ein gnädiger Regisseur unser
Erschrecken herausschneidet, unsere Fassungslosigkeit, das linkische Gehabe, unsere windige Routine, noch eine Verlegenheitsgeste, eine rettende Wendung, da hilft auch die Verkleidung und der
Tanz nichts (Männer in Frauenkleidern), schon gar nicht das öffentliche Ambiente, die Selbstbedienungsrestaurants, die Fußgängerzonen, die Überlandstraßen, die Wohnungen der Freunde, Discotheken,
eine Wallfahrtsstätte im Wienerwald, und was ist mit der Natur, z.B. der finnischen, die Akteure suchen sich gegen Ende des Films durch Grimassen zu retten, aber es nützt ihnen nichts, sie
bleiben auf dem Servierbrett vor der Kamera, und der Kinobesucher findet auch keinen beruhigenden Rhythmus vor, schöne Bildfolgen, es werden ihm keine Aktionen geboten, in die er sich fallen
lassen kann, auch er bleibt auf dem Prüfstand der Empfindungen, nicht doch: hier wird keim Exotismus einer bestimmten Art von Wiener Jugend gezeigt: dem jungen Wiener Filmemacher Peter Schreiner
ist nach seinem ersten Langfilm GRELLES LICHT mit der ERSTEN LIEBE ein zweiter Querschläger in das Zwischenreich von Dokumentar- und Spielfilm gelungen.
(Bodo Hell,1983)
zwischen Würstelstand und Kino
...die demütig beobachtete, zwischen Dokument und Fiktion schillernde, dabei in der mühsam errungenen Wahrhaftigkeit überragend strahlende Bestandsaufnahme eines damaligen jungen Lebensgefühls – im zweiten Film von Peter Schreiner, einem erst spät in seiner Bedeutung gewürdigten Unabhängigen aus der Schule des Österreichischen Sensibilismus. In ERSTE LIEBE zeigt Schreiner sich selbst und andere Wiener seiner Generation in all ihrer drängenden Sehnsucht und momentanen Unbeholfenheit zwischen Würstelstand und Kino, Kellerlokal und Überlandausflug, treibend im Rhythmus der alltäglichen Wendungen und widerstrebenden Emotionen, entwaffnend ungekünstelt und frei, doch unnachgiebig tiefschürfend in den Empfindungen: der Figuren, des Zusehers, des Lebens an sich.
(Christoph Huber, Österreichisches Filmmuseum, 2015)
Standbilder einer Video-Aufzeichnung der Aufführung im Rahmen der Diagonale 2010 in Graz (Dank an Michael Pilz)
stills from a video recording of the Diagonale-screening, Graz, Austria, 2010 (thanks to Michael Pilz)
schweigen mit Bildern
Ich kann meinen Film nicht aufschreiben. Ich kann nur wenige Gedichte stammeln.
Ich kann schweigen. Ich möchte schweigen mit meinen Bildern.
Ein Film wie ein ungeschriebener Brief.
jetzt, da der Regen fällt,
jetzt, zwischen so vielen Gedanken,
gibt es einen Brief, der sich von alleine schreibt, gibt es ein Gefühl wie der Wind
ich wollte viele Briefe schreiben, voll von Sehnsucht -
gibt es einen Brief, den ich einfach so hin schreiben kann, jetzt, da der Regen fällt.
jetzt, zwischen so vielen Gedanken, aber es sind ruhige Gedanken,
aber es ist ein langsamer, leiser Regen.
gibt es einen Brief, den ich schreiben kann, ohne aufhören zu können,
den du lesen kannst, ohne aufhören zu können.
(Peter Schreiner, 1982)
Grenzen, die ich ahne
Die Menschen ganz weit draußen.
Sie konzentrieren, sammeln, belauschen (die lachende, leidenschaftliche Raucherin bei Dziga Vertov!).
Abgrenzen mit Menschen und Landschaften.
Masken und Gesten, die ZEIT macht sie durchscheinend.
HINGEHEN, FILMEN UND TASTEN -
ein Lebenslauf, eine freie Aktion.
Wir werden von selbst an die richtigen Plätze geraten.
der Selbstauslöser
Die Reise ist auf das unmittelbare, unvorhersehbare, stumme BILD konzentriert.
Ich brauche nichts zu inszenieren, es geschieht von selbst.
(Peter Schreiner, 1982)
thanks to:
Alex Brunner
Arja Alkanen
Bärbel Neubauer
Erich Liedl
Ernst Kriha
Harald Habiger
Johannes Liedl
Klaus Rainer
Konrad Spindler
Niki List
sound:
Andi Stern
music:
Michael Langoth
Helmut Stadlmann
Günther Stadler
cinematography:
Peter Schreiner
Bärbel Neubauer
Konrad Spindler
realisation, editing:
Peter Schreiner
collaboration:
Konrad Spindler
Bärbel Neubauer
production:
Peter Schreiner
and Lied-Becker-Dokumentarfilm
supported by:
City of Vienna, cultural department
world distribution:
echtzeitfilm
available prints:
standard-16 mm print , magnetic soundtrack , 1:1,33, black and white,
original version (german), no subtitles
(Film Collection of the Austrian Film Museum, Vienna, world distribution: echtzeitfilm)
no digital print available
Arbeits-Fotos
work-photos
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and no commercial aim is pursued.